Kleindenkmale 1. Inschriften – Votiv- und Wappensteine
Weihestein von 238 Gressenich/Kornelimünster
50.730847, 6.182876; P5JM+85J Aachen
Nach dem großen Erdbeben 1755 fand ein Bauer namens Rösseler südlich des damaligen Gressenich1 einen Votivstein aus der Spätantike. Er zog den Pfarrer zu Rate und schließlich ging der Stein gegen 1 Malter Korn an den Abt von Kornelimünster. Dort ist er heute noch zu sehen, als Eckstein in der "Alten Vogtei" in der Klauser Straße.
Lateinische Inschrift ergänzt nach vergleichbaren Inschriften und unter Auflösung der Abkürzungen
[I(ovi) O(ptimo) M(aximo)] / ET GENIO LOCI PRO / SALUTE IMPERI MA / SIUS IANUARI ET TI / TIANUS IANUA / RI V(otum) S(olverunt) L(ubentes) M(erito) SUB CU / RA MASI S(upra) S(cripti) ET / MACERI ACCEP / TI PIO ET PROCLO / [consulibus]
Übersetzung aus dem Lateinischen:
Jupiter, dem besten und größten, und dem Schutzgeist des Ortes haben für das Heil des Reiches Masius, (Freigelassener) des Januarius, und Titianus, (Freigelassener) des Januarius, ein Gelübde gern und verdientermaßen eingelöst unter der Sorge des obenstehenden Masius und des Macer Acceptus in dem Jahr, als Pius und Proclus Konsuln waren.
Zur Bedeutung der Inschrift
Nach W. Frentz2 war der Stein zwei Gottheiten geweiht, dem höchsten Gott Jupiter und dem örtlichen Schutzgeist. Aufgestellt wurde er "als Pius und Proclus Konsuln waren", das ist nach den fasti consulares das Jahr 238, und Frentz bezieht den Anlass auf dieses Jahr.
Wir wissen wohl aus der Inschrift, dass Masius und Titanius 238 ein Gelübde für das Heil des Reichs eingelöst haben. D.h., das Gelübde war getan und die Reichskrise des Sechskaiserjahrs3 muss daher nicht Anlass gewesen sein. Es erscheint zudem fraglich, ob die Stifter mit IOM (= Iupiter Optimus Maximus) die Gottheit angerufen haben, als vielmehr die kaiserliche Majestät.
Wie u.a. die Forschung zu Carnutum4 ausführlich darlegt, steht IOM für den Schutz der Territorialgrenzen und bürgt als Garant politischer Verträge für den inneren Frieden, mithin Aufgaben des Kaisers. Verbunden mit der kapitolinischen Trias, mithin IOM, haben "die Göttlichkeit des Herrschers und andere Numina der Staatsreligion im Mittelpunkt der gottesdienstlichen Aktivitäten" gestanden. Dass die Römer nämlich einen weiteren Götterhimmel duldeten, hatte pragmatische Gründe, insbesondere um einen Vielvölkerstaat zu beherrschen. Wenn nicht schon Agnostiker, wie die Literatur der Zeit eindrücklich Beispiele angibt, so war den Römern doch wohl bewusst, dass es kaum verschiedene Götter gab, sondern eine sich vielfältig äußernde Gottheit, daher auch die bald unzähligen Beinamen für Göttinnen und Götter.5 Schon die Große Mutter und Isis & Co. hatten Gemeinsamkeiten. Spricht man von IOM, meint man, in der Spätantike ganz im Sinne der Staatsreligion, wohl mehr den Kaiser als die Gottheit. Denn Kaiser und IOM stehen synonym für dieselben Aufgaben und mit Jupiter sprach man ohnehin nicht, denn dieser selbst äußerte sich nur durch Donner oder den Merkur. Merkur aber wurde als Mercurius Augustus im Kaiser verkörpert. Die domus divina bezeichnete denn auch nicht den Wohnsitz der Götter, sondern das Kaiserhaus.
Fraglich ist also weniger, ob die kaiserliche Majestät gemeint ist, als welcher bestimmte Kaiser gemeint ist: Ist der Stein im Jahr der Reichskrise, aber doch in Einlösung eines zurückliegenden Gelübdes aufgestellt worden, könnte Maximinus Thrax gemeint gewesen sein. Dieser hatte 235/36 relativ nahe im heutigen südlichen Niedersachsen erfolgreich Krieg gegen die Germanen geführt und war von den Rheinlegionen 235 zum Kaiser ausgerufen worden. Er hatte also für das "Heil des Reichs", für den Schutz der Grenzen getreu den Aufgaben eines Kaisers als Garant des IOM gesorgt und war quasi auch noch ortsbekannt. Wäre das Gelübde 238 erfolgt, könnte Maximinus auch noch passen, hatte er sich doch zunächst auch erfolgreich gegen die Usurpatoren gewandt, bis er im April 238 ermordet wurde. Indes könnte, soweit alleine die Reichskrise und damit auch die Garantie des inneren Friedens Bezugspunkt des Gelübdes gewesen sein sollen, der 3. Gordian gemeint gewesen sein: Bei W. Gülpen ist ein Antoninian des 3. Gordian von 239 abgebildet, revers die Fides. Gordian III. zeigt also Vertrauen und Treue an, und tatsächlich haben mit ihm die Wirren des Sechskaiserjahrs geendet. Er ist der letzte der sechs Kaiser und es gelingt ihm auch, die Grenzen zu beruhigen. Mithin kommt er der Garantenstellung des IOM tatsächlich nach.
Dass eine Festlegung auf einen Kaiser nicht erfolgt, ist im Sechskaiserjahr, in dem Kaiser gleich reihenweise geächtet und ermordet werden, opportun. Die Berufung des "örtlichen" Schutzgeistes, mithin wohl keltisch oder gallo-römisch, ist unterdessen Ausdruck der unter der Staatsreligion gewährten Religionsfreiheit.
Lage am Jakobsweg
Der Term "IOM" wurde offensichtlich in historischer Zeit entfernt. W. Frentz6 nimmt eine 'Bilderstürmerei' aus der Zeit der Christianisierung an. Indes dürfte der Stein an der Kreuzung einer römischen, evtl. einer bereits eisenzeitlichen oder noch früheren Wegekreuzung aufgestellt worden sein7 und eben dieser Weg wurde auch spätestens seit dem Hochmittelalter u.a. als Pilgerweg (Jakobsweg) benutzt8. Es mag daher vorstellbar sein, dass die 'Bilderstürmerei' auch später als angenommen stattgefunden haben könnte.
Huldigungsstein von 1531 Mausbacher Hof
Bei zeitlich unbestimmter, in letzter Zeit stattgefundener Gartengestaltung auf einem nicht näher benannten Grundstück nahe des Mausbacher Hofs wurde der abgebildete Blaustein gefunden. Es soll nur ein Fragment geborgen worden und der übrige Teil verschollen sein. Dieses Fragment wurde in eine Wand des dem Grundstück zugehörigen Wintergartens fest eingelassen.
Vermutlich handelt es sich hier um einen Huldigungsstein von 1531 für (sicher) Jan Polonius von Wachtendonk. Vermutlich anlässlich seiner Amtseinführung: Er war 1531 - 1534 reichsfreier Abt von Kornelimünster und Grundherr in Mausbach. Nach dem Foto von Manfred Esser, das hier mit freundlicher Erlaubnis von Manfred Esser und dem Hauseigentümer (12.1.2024) zur Verfügung gestellt worden ist, lese ich auf dem Stein:
Wappen
In geschweiftem Schild gekreuzte Abtstäbe von Kornelimünster belegt mit Herzschild mit Lilie der Wachtendonk.
Lateinische Inschrift und Übersetzung
Band oben in Textura: "dies Johs [Johannis] de Wach[tendonk]" = Festtag des Johannes [Jan] von Wach[tendonk]. Band unten in Textura: "Anno d[ommi]ni 15[3?]1" = Im Jahr des Herrn 15[3?]1.
Mir scheint bald, dass der Stein links der Einlassungen mit dem Wappen eine weitere Inschrift oder Reste einer Bemalung (evtl. Beschriftung) vorweisen könnte. Um dies zu verifizieren, müsste ich ihn indes in Augenschein nehmen (evtl. mit Abklatsch) oder in einer zweckdienlichen weiteren Fotografie besehen können.
Im Übrigen ist zu vermuten, dass der Stein einst farbig bemalt war, Wappenfarben Kornelimünster: goldene Stäbe auf rotem Feld, Wachtendonk: rote Lilie auf goldenem Feld.
Er könnte deutlich sichtbar außen am Mausbacher Hof angebracht gewesen sein, vielleicht über dem Torbogen. Er zeigte an, wer da, wo der Stein aufgestellt oder eingelassen war, das Sagen hatte, ähnlich heute den Schildern mit dem Amtswappen an den Gebäuden der NRW-Landesbehörden oder eben dem Gessler-Hut bei Wilhelm Tell. In Mausbach hatten die Bauern die Abgaben indes an den Fürstabt am Mausbacher Hof zu leisten, z.B. den Grünhafer an einem jeden 29. Dezember.
Eine Statue, die den von Wachtendonk abbilden soll, befindet sich am Eingang der Probsteikirche in Kornelimünster.
Wappenstein von 1731 Mausbacher Hof/Schroiffstraße
50.756171, 6.273028; Q74F+F6C Stolberg
Nach der Zerstörung im Pfälzischen Erbfolgekrieg ließ der flandrische Graf Hyacinthus von Suys, 1713 - 1745 Fürstabt von Kornelimünster und Grundherr in Mausbach, den abteilichen Mausbacher Hof wieder aufbauen. Zur Huldigung des Abts wurde der heute von der Schroiffstraße bei 11b aus sichtbare Wappenstein von 1731 am Mausbacher Hof eingelassen.
Wappen:
In einem von Spangenhelm mit Fürstenkrone zusammengehaltenem Pavillon Abteiwappen Kornelimünster belegt mit Wappenschild Suys: Auf gekreuzten Abtstäben (Wappen Abtei Kornelimünster), in der Krümmung belegt mit Rosen (Rose = eines der Attribute der jungfräulichen Gottesmutter Maria, hier ohne heraldische Bedeutung), Schild mit 3 (2:1) Rammklötzen (naturellement zum Eintreiben von Pfählen als Baugrund) mit je 2 seitlichen Führungsstutzen (Wappen Suys). Zwischen den Abtstäben Mitra als Zeichen des Jurisdiktionsbereichs des Abtes, die Stäbe rechts (= heraldisch links) begleitet von einem Schwert (als Erinnerung der auch weltlichen Gewalt des Abts). Der Schild bekrönt mit Blätterkrone (= gemeine Adelskrone). Zwei behelmte Löwen als Schildhalter, links (= heraldisch rechts) mit Spangenhelm, Wulst und geschlossenem Flug mit darin wachsendem Rammklotz (= Helmkleinod im Wappen Suys), rechts (= heraldisch links) mit Spangenhelm, Helmkrone und geschlossenem Flug.
Der Stein könnte einst bemalt gewesen sein, Wappenfarben Kornelimünster: goldene Stäbe auf rotem Feld, Suys: blaue Rammklötze auf goldenem Feld, mithin der Wappenmantel vermutl. rot, Schwert und Schildhalter naturalistisch.
Lateinische Inschrift:
REVERENDISSIMUS ET ILLUSTRISSIMUS DOMINUS · D[omi]NUS HYACINTHUS ALPHONSUS · S[acri]·R[omani]·I[mperii] · COMES DE SUYS DEI ET APOSTOLICÆ SEDIS GRATIÆ S[acri]·R[omani]·I[mperii]·B[aro] · IMPERIALIS LIBERÆ IMMEDIATE ET EXEMPTÆ ECCLESIÆ CORNELIO MONASTRERIENSIS AD INDAM ABBAS EIUSDEM QUE LOCI DOMINUS TERRITORIALIS DOMINUS IN EILENDORFF GRESSENICH CASTENHOLZ BERGHEIMER DORFF CUMPTICH ET MORTROUX PRAEPOSITUS PERPETUUS IN SCLAIN 1731
Übersetzung aus dem Lateinischen
Der hochwürdigste und erlauchteste Herr, Herr Hyacinthus Alphonsus, des Heiligen (Geheiligten) Römischen Reiches Graf von Suys durch Gottes und des Apostolischen Stuhles Gnade des Heiligen (Geheiligten) Römischen Reiches Freiherr, des Reiches freier und unabhängiger (reichsunmittelbaren) Kirche von Cornelimünster an der Inde Abt und desselben Ortes Grundherr, Herr in Eilendorf, Gressenich, Castenholz, Bergheimerdorf, Cumptich und ständiger Propst von Mortroux in Sclain 1731
Anmerkung zur Übersetzung
Im Vergleich mit rezipierten Übersetzungen (Wappenstein, so auch in der Wikipedia im Abruf v. 1.6.2024, wo zudem die Blasonierung falsch ist) liefert die vorstehende einen signifikanten Unterschied: Der Abt bezeichnet sich nicht als "Fürstabt" (abbas princeps) und der ist er auch nicht, gleichwohl der Wappenmantel, indes überhöhend von einer Fürstenkrone gehalten wird. Rechte gegenüber dem Reich kleben an der Abtei und nicht am Abt und dieser vertritt die Rechte der Abtei, solange er als gewählter Abt im Amt ist.