Vicus Gressenich Die römische Siedlung zwischen Gressenich und Mausbach
Römische Kaiserzeit
Die Einmaligkeit der römischen Siedlung bei Gressenich, ein sogenannter vicus1, besteht darin, dass diese eine reine Bergbau-Siedlung ist, und sie ist nie überbaut worden. Sie ist deshalb von überregionaler Bedeutung. In Gressenich besteht die einmalige Chance, die römische Verhüttungstechnik und -verarbeitung zu erforschen. Es wurden Eisen, Blei und wahrscheinlich Galmei in großem industriellen Stil verhüttet. Eisenerz wurde aus Brauneisenstein gewonnen, Blei aus anstehendem Bleiglanz.
Galmei ist heute schwer zu finden, weil in der Kupfermeisterzeit Ende des 16. bis zum 19. Jahrhundert die letzten Reserven abgebaut wurden. In der Tranchot-Karte2 wird Diepenlinchen als "Galmeyberg" bezeichnet. Aus Galmei und Kupfer Messing herzustellen, war den Römern bekannt. Durch bodenchemische Analysen ist belegt, dass Messingherstellung in Gressenich stattgefunden hat.3 Ob eine Verarbeitung von Messing stattgefunden hat, Stichwort "Hemmoorer Eimer", ist fraglich. Ich gehe davon aus, dass man die Erze zu Barren verarbeitet und gehandelt hat. Ein Messingfund in Barren aus Mainz (römisch) und Haithabu4 (Wikingerzeit) könnte aus dem Stolberger Raum stammen. Galmeivorkommen und -abbau in römischer Zeit gab es, soweit bekannt, nur im Stolberger Raum und in Wiesloch bei Heidelberg.
Blei ist hier verhüttet und verarbeitet worden, wie Gusskanäle und -abfälle aus meiner Sammlung belegen. Es ist anzunehmen, dass die Erzvorkommen und die -verarbeitung staatliches Eigentum waren und verpachtet wurden. Aus Wracks im Mittelmeerraum und in Tongern hat man Bleibarren gefunden, die aus kaiserlichem Besitz stammen. Sie tragen im Stempel den Namen des Kaisers und die Inschrift "GERM"5. Dies belegt, dass sie aus den germanischen Gruben stammen. Soweit bekannt ist, hat es in Germanien nur vier Vorkommen, wo diese Barren hergestellt worden sein könnten, gegeben: 1. der Raum um Mechernich, 2. das Gebiet um Stolberg, Gressenich, Breiniger Berg und Büsbach, 3. und 4. rechtsrheinisch im Barbaricum das Gebiet im Sauerland um Brilon und Soest sowie am Lüderich im Bergischen Land.6
Das Fundspektrum in Gressenich, Breiniger Berg und Soest ist identisch. Darunter fallen Verhüttungsreste, Gusskanäle, Bleiabfälle und Barren in Trapezform, die man früher als Webgewichte interpretiert hat. Weiterhin fallen auch wirtelartige Stücke darunter, die als Gusstrichter zu erkennen sind. Die Lochung in der Mitte entstand durch den Sog der erkalteten Gussform.7 Stücke, die auf beiden Seiten plan sind, könnte man als Kleinstbarren interpretieren. Aufgereiht auf einer Schnur wären sie ideal für einen mobilen Handwerker für kleinteilige Bleigüsse.
Der vicus Gressenich ist für eine römische Siedlung recht groß gewesen. Es lebten bestimmt einige Hundert Personen hier. Die Siedlung liegt an der überregionalen Straße, die von der Maas (Raum Dinant) über Limburg, Raeren (Kinkebahn), Nütheim, Kornelimünster (Varnenum), Breiniger Berg, Gressenich, Hamich, Heistern, Langerwehe (Alte Kirche) nach Jülich führte. Sie schloss an die große Heerstraße via Belgica an. Ein Reststück der Straße ist 2016 beim Neubau des Hauses Ecke Römerstraße/Hamicher Weg in Gressenich zum Vorschein gekommen.
Durch jahrzehntelange Begehungen und Beobachtungen von Bewuchsmerkmalen ergibt sich ein klareres Bild von der Siedlung. Der größte Teil ist mit Weideland bedeckt. Heute gibt es nur noch Teilbereiche, die landwirtschaftlich beackert werden. Das sind Flurteile von Palanderweide, Mausbacher Hecken und Auf den Stöcken.
An Bewuchsmerkmalen sieht man den Verlauf einer Straße, die dicht mit Streifenhäusern bebaut gewesen ist.8 Solche Bewuchsmerkmale ergeben sich nach sehr trockenen Frühjahren, da steinerne Ruinen die Feuchtigkeit weniger halten als der umgebende Boden und das Gras darüber zuerst vertrocknet. Die Straße verläuft quer durch die Palanderweide, Richtung Mitte Sportplatz. Bedauerlicherweise hat es bei der Anlage des Sportplatzes keine archäologische Begleitung gegeben. Wenn sich der Verlauf der römischen Hauptdurchgangsstraße annähernd mit der heutigen Bundestraße deckt, so ergibt sich für einen Teilbereich der Siedlung ein ähnliches Bild wie für den Vicus Belgica bei Billig in der Eifel: ein Y-förmiger Straßenverlauf. Eine Therme sowie ein Kultbezirk sind anzunehmen.
Teilbereiche einer zweiten Straße kann man ebenfalls gut ausmachen. Es ist die in der Tranchot-Karte erwähnte und extra beschriftete Straße, die von Aachen über Buschmühle, Alt-Stolberg, Gressenich, Kloster Schwarzenbroich, Gürzenich nach Düren führte. Wahrscheinlich ist sie die römische Verbindung von Aachen über Gressenich nach Düren/Mariaweiler (Marcodurum).
Funde
Leider wird die Siedlung auch nach Unterschutzstellung als Bodendenkmal regelmäßig von illegalen Sondengängern heimgesucht. Eventuelle illegale Metallfunde gehen somit der Wissenschaft verloren.
Meine Funde sind alle aus dem Bereich der römischen Siedlung und dem Gräberfeld zwischen Gressenich und Mausbach. Alle diese Funde sind Oberflächenfunde, die durch die landwirtschaftliche Bearbeitung an die Oberfläche gelangt sind. Sie sind dem Amt für Bodendenkmalpflege beim Landschaftsverband Rheinland vorgelegt worden1, wobei nur die Münzfunde dort erfasst worden sind.
Sie bilden nur einen Teil des Fundspektrums ab. Zusammen mit Bodenfunden vervollständigen sie jedoch das Bild vom Leben in einem römischen Vicus im Zentrum früh- bis spätrömischer Bergbau- und Verhüttungsindustrie.
Ausstellung