Nikolaus und Hans Muff Rheinische Brauchtumsfiguren

Am Nikolausabend (5. Dezember) oder am Nikolaustag (6. Dezember) erscheint den Kindern der heilige Nikolaus. So ist es seit dem 16. Jh. Brauch, und im katholischen Rheinland erst recht, nachdem Martin Luther gegen die Heiligenverehrung gewettert hatte. Deshalb erscheint der Nikolaus seit der Gegenreformation auch nicht mehr alleine. Mal ist es die heilige Barbara, die ihn begleitet, im Rheinland ist es überwiegend der Hans Muff, andernorts der Knecht Ruprecht.

Text: Haro von Laufenberg, laudismonte.de

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Basierend auf Lemmata im Titel "Brauch, Kult und Volksglaube im Jahreskreis", S. 167-201

Nikolaus, der "heilige Mann"

Der heilige Nikolaus († angeblich ca. 342) ist eine historisch nicht ganz greifbare Figur, in der sich Nachrichten über den Abt Nikolaus von Sion bei Myra mit denen über den Bischof Nikolaus aus Pinara bei Fethiye/Türkei mischen.

In der Ostkirche wird diese Figur seit dem 6. Jh. verehrt, in Rom ab dem 8. Jh. Nördlich der Alpen dürfte die byzantinische Prinzessin Theophanu, 972 mit dem römisch-deutschen Kaiser Otto II. vermählt, den Nikolauskult etabliert, zumindest gefördert haben. 980 entstand in Brauweiler/Köln die erste Nikolaus-Kirche in Deutschland. Der Überlieferung nach soll der Benediktiner Ludger, Bischof von Münster und Glaubensbote bei den Friesen, schon im 9. Jh. eine Nikolaus-Kapelle errichtet haben; evtl. ist dies kolportiert worden, um eine frühere Verbreitung des Kults von Flandern aus durch die Benediktiner zu postulieren.

Nikolaus-Patrozinium in Mausbach

Mausbach, bis zur Besetzung des westlichen Rheinlands 1794 durch die Franzosen der Benediktiner-Abtei Kornelimünster hörig, dürfte im 11. Jh. dem Nikolaus-Patrozinium unterstellt worden sein. Im 11. Jh. vermutlich ist der Mausbacher Hof errichtet worden, 1178 wird Mausbach in einer Dotationsurkunde zugunsten des Nikolaus-Hospitals in Kornelimünster genannt (Frentz 1992, S. 68). 1804/05 wird das Nikolaus-Patrozinium in Mausbach mit Vollendung der Pfarrkirche 1804 und der Pfarrerhebung 1805 durch das heute noch bestehende Markus-Patrozinium abgelöst.

An die frühere Unterstellung erinnert ein Denkkreuz von 1902 in der Süßendeller Straße anstelle der 1880 abgebrochenen Nikolaus-Kapelle (Dorfhistorischer Rundweg: Kapelle Hl. Nikolaus). Im Volksmund ist das frühere Nikolaus-Patrozinium noch lebendig: bei den Nachbarn heißt jeder Mausbacher kurzerhand Muisbijer Klös, "Mausbacher Klaus", wobei "Klaus" die Kurzform von Nikolaus ist.

Nikolausabend

Nikolaus wurde im Rheinland zu einem außerordentlich beliebten Heiligen, dessen Popularität an die der Gottesmutter Maria heranreichte. Dementsprechend wurden ihm zahlreiche Wunderlegenden, die Bekämpfung des Diana-Kults1 und mithin eine Vielzahl an Patronaten untergeordnet. Im Brauchtum wird er vor allem mit dem Kinderpatronat verbunden.

Dieses geht auf die Legende zurück, dass Nikolaus von Kannibalen ermordete Kinder ins Leben zurückgerufen haben soll. Diese Legende dürfte an die Schlachtzeit, die "Schweinereise" zwischen Martini (11. November) und Lucia (13. Dezember), also um den Nikolaustag herum, angelehnt sein. Aus dem Bischofsspiel, das wohl dieser Legende folgend vom Fest der Kinder (Unschuldige-Kinder-Tag, 28. Dezember)2 auf den Nikolaustag übertragen worden ist, und in Verbindung mit der von den drei Goldstücken/goldenen Kugeln, die Nikolaus nachts Jungfrauen geschenkt haben soll, um sie vor der Prostitution zu bewahren, kommt Mitte des 16. Jh.s der Brauch auf, dass er die Kinder am Nikolausabend beschenkt. Dass er sie befragt, ob sie denn auch artig waren, ihnen mithin leibhaftig erscheint, geht auf eine frühere Ordnung im Gottesdienst zurück, wonach am 6. Dezember das Gleichnis von den drei rechenschaftspflichtigen Knechten erzählt wurde (Mat 25.14-23).

Der Reformator Martin Luther verurteilte die Heiligenverehrung und verlangte, die Bescherung der Kinder auf Weihnachten, wie es heute üblich ist, zu verlagern. In katholischen Gegenden hielt man am Brauch fest, gewissermaßen als Machtdemonstration der katholischen Kirche.3

Hans Muff

Im 17. Jh., mithin in der Gegenreformation, bekam der Nikolaus auch noch einen Begleiter. Im Rheinland ist dies die Schreckgestalt "Hans Muff", im Niederrheinischen der "Düvel", im Mittelrheinischen der "Pelznickel", im Allgemeinen "Knecht Ruprecht". Bei Blankenheim/Kreis Euskirchen erschien am Nikolausabend zunächst wohl nur eine mit gehörnter Tiermaske verkleidete Person, ritt auch auf einem Ochsen in die Häuser. (Wrede 1983, S. 283. Dettmann, S. 126.) Dies mag wie der "Pelznickel" noch einen Anklang an die Verkleidungssitte zur Wilden Jagd haben, wird indes von der Vorstellung der civitas diaboli4 überlagert. Hans Muff als auch der Gehörnte sind danach Verkörperungen des Teufels (zumindest eines der wohl annähernd 12.000 in der katholischen Kirche bekannten Teufel). Hans Muff ist mithin der von der Kirche in Gestalt des heiligen Nikolaus gebändigte Teufel, daher auch (Prügel-) "Knecht" (Wrede 1979, S. 230). Diese Schreckgestalten waren Form brachialer Pädagogik, die eben auch den Interessen der katholischen Kirche diente. Hans Muff zeichnet sich aber nicht nur durch Bösartigkeit aus. Seine Rute ist sowohl strafendes als auch segnendes Instrument, wie es schon beim Fest der Kinder und den römischen Lupercalia5 zum Ausdruck kommt, nur wirkt er nicht selber, sondern durch den Nikolaus. Mehr als vor der Rute fürchten die Kinder sich vor dem Sack, den Hans Muff über dem Buckel trägt (oder Kiepe). Denn darin können Geschenke für die Kinder enthalten sein, dieselben aber auch auf Weisung des Nikolaus hinein gesteckt werden, wenn sie unartig gewesen sind, und der Sack ist geradezu der Höllenschlund.

Bedeutung des Namens "Hans Muff"

"Hans", Kurzform von Johannes, dürfte für "jedermann" stehen, so wie die Kurznamen "Hinz und Kunz" von Heinrich und Konrad nach Häufigkeit dieser Vornamen im Mittelalter. Muff bedeutet "mürrisch" (Müller/Meisen, V Sp. 1350), "stinkend, furzend" und "modrig" (Müller/Meisen, V Sp. 1355) wie Leichengeruch, so wie der am Muffeter Weg in Aachen, als über den die Leichen vom Richtplatz kamen.

Hans Muff ist aber nicht nur der Tod, den jeden ereilt, er kommt aus der Hölle, denn er ist schwarz. In Aachen heißt es: "de flädije (schmutzige) schwatze Hans Muff" (Müller/Meisen, III Sp. 239). Er ist also nicht schwarz, weil er schmutzig ist, er ist schmutzig und schwarz und dies nicht mit kolonialhistorischem rassistischem Hintergrund wie es vom "Zwarte Piet" in den Niederlanden angenommen wird, sondern nach dem Bild des Teufels, das sich vom 6. Jh., nachdem die Kirchenväter denselben dämonisiert hatten, bis zum 11. Jh. etablierte.

Da die Bibel von Licht und bedrückender Dunkelheit, aber kaum von Farben spricht, galt die Hölle wohl als dunkel, aber nicht unbedingt als schwarz. Das Teufelsbild dürfte daher unter anderem Einfluss als dem der Bibel entstanden sein. Wenn in der Hölle Flammen hochschlagen, mag im Volk ein Blick in das damals übliche Holz-Feuer genügt haben, denn darin sieht man Schwarzes, dem die Flammen nichts anzuhaben scheinen, wie den Teufel die Höllenflammen nicht berühren, denn er wohnt ja darin. Mittelalterliche Kleriker indes bezeichnen ihn als "Äthiopier" (oder vergleichend: Caesarius von Heisterbach, Dialogus miraculorum), was den Blick auf das alte Ägypten lenkt. Dort wurde Schwarz mit der Fruchtbarkeit der Erde (humose Schwarzerde) verbunden und war bei Totenfeiern Symbolfarbe für die Wiedergeburt und daher wurde der ägyptische Schakal-Totengott Anubis schwarzhäutig dargestellt. Auch die antiken Vegetationsgöttinnen Kybele (römisch) und Hekate (griechisch) ≡ Diana (römisch) begegneten zuweilen mit schwarzer Haut oder begleitet von schwarzen Gegenständen. Dass Diana sich in eine schwarze Katze zu verwandeln vermochte, wurde – evtl. unter Einflüsterung gelehriger Kleriker – zu einem Vorbild der Hexe wie z.B. in den Sagen aus Zweifall/Eifel (Koch, S. 522 "Hexenkatzen").

Seit den Kreuzzügen und der damit aufkommenden antiislamistischen Propaganda gab es zudem grüne Teufel (Grün = panarabische Farbe), doch blieb Schwarz dominierend in der Darstellung.

Anmerkungen

1Diana, italisch-römische Vegetationsgöttin, keltische Entsprechung: Arduna. Die heute noch praktizierte "Kräuterweihe" an Mariä Himmelfahrt (15. August) dürfte als kirchliche Gegenbewegung auf den im gesamten römischen Kaiserreich, mithin auch im Rheinland praktizierten Diana-Kult zurückgehen.

2Historisch vierter und letzter Feiertag zu Weihnachten, im 14. Jh. karnevalesk: Eleven mittelalterlicher Klosterschulen verkehrten das Autoritätsprinzip und huldigten einen Kinderbischof. Kinder und Erwachsene, in Belgien vorzugsweise jung verheiratete Paare, täschelten sich am Fest der Kinder mit der Lebensrute, einem grünen Zweig sinnbildlich zur Förderung der Fruchtbarkeit (ähnlich, indes phallisch: [5] Lupercalia). Die Kirche interpretierte das Fest mit dem Kindermord von Bethlehem, der indes eine antijudaistische Fiktion sein dürfte.

3Aber auch in den indes reformierten Niederlanden, wo der Nikolaus-Kult Volksfestcharakter hat und mehr Bedeutung noch als im Rheinland, von wo er ab dem 10. Jh. in Deutschland verbreitet worden ist, wo es infolge von Zweitem Weltkrieg und anschließendem Kalten Krieg aber auch zu einem Zustrom von Menschen ev. Bekenntnisses gekommen ist.

4Civitas diaboli, lat. "Teufelsstaat" im Gegensatz zur civitas dei "Gottesstaat", Zwei-Reiche-Lehre des Augustinus von Hippo (384-430), röm. Bischof und katholischer Kirchenlehrer, dessen Antijudaismus, Verteufelung des Paganen, körperfeindliche Seuxualethik und Legitimation des Gotteskrieges bis in die Neuzeit hinein wirkte.

5Altrömischer Ritus zum Fest des Gottes Faunus Lupercus um den 15. Februar, wobei berauschte, bis auf Lendenschurze aus Bockshaut nackte junge Männer durch die Stadt tobten und die Frauen mit Riemen aus Bockshaut schlugen, wovon diese sich Kindersegen versprachen und bei Bedarf dann auch gerne still hielten. 494 erreichte Papst Gelasius I., dass die Lupercalien verboten wurden.

Literatur:

  • Bächtold-Stäubli, Hanns; Hoffmann-Krayer, Eduard (Hrsg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Augsburg: Weltbild Verl. 2005. 6. Bd., Sp. 1086-1107.
  • Brockhaus, Rudolf (Hrsg.): Die Heilige Schrift. 14. Aufl. Wuppertal-Elberfeld: R. Brockhaus 1952.
  • Dettmann, Rolf; Weber, Matthias: Eifeler Bräuche im Jahreskreis und Lebenslauf. Köln: Verl. J.P. Bachem 1981. S. 125 f.
  • Frentz, Willi: 842 Crasciniacum – 1992 Gressenich. Hrsgg. v. Reinhold Scholl für die Gressenicher Ortsvereine. Eschweiler: 1992.
  • Kirschbaum, Engelbert: Lexikon der christlichen Ikonographie. Unter Mitarbeit v. Günter Bandmann, Wolfgang Braunfels et al. Freiburg/Br.: Herder 1968. 8. Bd., Sp. 46-58.
  • Koch, Heinrich (Hrsg.): Zweifall; Wald- und Grenzdorf im Vichttal. Unter Mitarbeit v. Ella Bieroth, Günter Hörnig et al. Neubearb. des Heimatbuchs von Johann Bendel. Zweifall 1968.
  • Müller, Josef; Meisen, Karl (Hrsg.): Rheinisches Wörterbuch. Unter Mitarbeit v. Matthias Zender u. Heinrich Dittmaier. Bonn, Berlin: Fritz Klopp; Erika Klopp 1928-1971. 9 Bde. Online verfügbar im Wörterbuchnetz.
  • Pastoureau, Michel: Schwarz; Geschichte einer Farbe. Darmstadt: Philipp von Zabern 2016.
  • Roskoff, Georg Gustav: Geschichte des Teufels. Leipzig: F. A. Brockhaus 1869. 2 Bde.
  • Wrede, Adam: Eifeler Volkskunde. Frankfurt/M.: Wolfgang Weidlich 1983. — Rheinische Volkskunde. Frankfurt/M.: Verl. Weidlich 1979.